SNOW JAZZ GASTEIN

Ray Anderson "Pocket Brass"

Fr, 23. März 2012 - 20:30
Sägewerk
Ray Anderson
trombone
Lew Soloff
trumpet
Matt Perrine
sousaphone
Eric Mc Pherson
drums

Event Report

Brass-Essenzen

Ray Anderson’s Pocket Brass Band eröffnete das zweite Snow Jazz-Wochenende im Sägewerk

Der Freitagabend im Festivalzentrum Sägewerk darf als weiteres Kapitel der sich durch das New York-Thema ziehenden Frage nach Bedeutung von Tradition und Moderne gelesen werden. Wo die Stadt am Hudson River für den unüberschaubaren, immerwährenden Aufbruch, für den brodelnden – auch musikalischen - Melting Pot der Gegenwart steht, verkörpert jene am Mississippi die Wiege des Jazz, New Orleans, die Geschichte, die Wurzeln dieses Stils. Wie man beides sinnvoll unter den berühmten Hut bekommt, zeigte der aus Chicago stammende Posaunist und Komponist Ray Anderson mit seiner „Pocket Brass Band“ auf eindrucksvolle Weise.

Der - wie immer – gut gelaunte Bandleader hat mit seinem Quartett, zu dem der begehrte Trompeter Lew Soloff, der Sousaphon-Spieler Matt Perrine und Drummer  Eric McPherson zählen, jenen wohlbekannten, mehr oder weniger voluminösen Klang der vielen Marching Bands aus N.O. genommen, ihn auf Kleinstbesetzung  reduziert, um ihn mit zeitgenössischen Spielformen neu erklingen zu lassen. Der  Blick auf die Wurzeln begann an diesem Abend mit einer Hommage an Louis Armstrong und Lousianna namens „King Lousianna“, der noch ein für das Quartet arrangiertes Werk von Duke Ellington folgte, man braucht eben die Angebote der Geschichte und darf deren Schätze verwenden, um in die Zukunft aufzubrechen. Das Titelstück ihrer ersten Einspielung vor knapp zehn Jahren „Where Home Is“ wies bereits in die eigene Kompositionsrichtung, die dann im zweiten Set mit der “Sweet Chicago Suite“ ihre volle Blüte erreichte. Der Bandleader, den man durchaus als legitimen, virtuosen Nachfolger des Posaunenerzählers Albert Mangelsdorff, mit dem ihn die vielen modernen Spieltechniken verbinden, bezeichnen kann, der mit seinen druckvoll funkenden Riffs ebenso wie mit seiner präsenten zeitgenössischen Klangsprache überzeugte, fanden in Lew Soloff den oft strahlenden, aber auch ebenso seine Modernismen einstreunenden, Anderson ideal ergänzenden Partner der gemeinsam geschichteten Sounds. Blieben Matt Perrine, dessen Wirken vor allem als Bassist auf dem Sousaphon bestand, der aber immer wieder in seinen Solos seine Fähigkeiten zeigen durfte und Eric McPherson, der die rhythmisch-perkussiven Strukturen lieferte und sich ausgezeichnet in das Gesamtbild der „Taschen Blech“ Band- einfügte, aber auch in seinen solistischen Freiräumen zu glänzen wusste. Ein begeisternder Abend, bei dem die Musiker auch noch in traditioneller Weise am Ende als Marching Band von der Bühne in den Zuschauerraum wechselten. Womit die Frage – teilweise – beantwortet wäre.

von Thomas Hein